Nicola Thomas
RN, BSc (Hons), MA. PhD
Professor of Kidney Care
London South Bank University, UK
nicola.thomas@lsbu.ac.uk
Die Einführung der Hämodialyse (HD) als ein lebensrettendes Verfahren bei Niereninsuffizienz war nicht das Resultat eines langandauernden Forschungsprogramms, sondern der Pionierarbeit Einzelner in den USA und später in ganz Europa zu verdanken.
Die HD als akzeptiertes Behandlungsverfahren bei Nierenerkrankung wurde nicht erst in den 1960er Jahren initiiert. Schon in den 100 Jahren zuvor fanden Entwicklungen statt. Das erste Mal benutzte Thomas Graham, ein Schottischer Chemiker, 1854 das Wort „Dialyse“1. 1913 erschien die erste Publikation über die Technik der HD, mit einem Konzept der „künstlichen Niere“. Zu dieser Zeit wurden experimentelle Dialysen an Tieren, unter Nutzung verschiedener Dialyselösungen, durchgeführt2. Die erste Dialysebehandlung an einem Menschen wurde zum Ende der 1920er Jahre von dem Deutschen Arzt, Georg Haas, in Gießen durchgeführt. Er führte sechs Behandlungen an sechs Personen durch. Ohne Unterstützung seiner Kollegen und des Krankenhauses mussten die Behandlungen eingestellt werden.
1923 experimentierte Heinrich Necheles mit der Schichtung von Membranen. Das ermöglichte die Vergrößerung der Oberfläche ohne Notwendigkeit der Nutzung von mehreren Dialysatoren. Schafperitoneum war das benutzte Material für die Membranen. Weil die Membranen zu Rupturen neigten, wurden Platten zur Unterstützung dazwischen gelegt. So vergrößerten sich die Kontaktflächen mit der Dialyseflüssigkeit. Die 1920er und 30er Jahre brachten große Fortschritte bei synthetischen Membranen durch die Polymer-Industrie. Cellulose-Acetat konnte erstmals benutzt werden, um Dialysemembranen herzustellen. William Thalhimer nutze Cellophan, eine Form von Cellulose-Azetat, als potentielle Dialysemembran3.
Willem Kolff wurde aufmerksam auf einen Kollegen, der Plasma durch die Nutzung von Cellulose-Azetat als Membran konzentrierte und tauchte sie in eine schwache Zuckerlösung. Er baute eine rotierende Trommelniere. Sie bot eine ausreichend große Oberfläche für seinen ersten Versuch einer menschlichen Dialyse4. Seine Maschine enthielt 30 Meter Cellophan-Schlauch, der um die große Trommel gewickelt war. Die Trommel wurde über einer Wanne mit schwacher Salzlösung (dem Dialysat) platziert. Das Patientenblut floss durch den Cellophan-Schlauch. Die Wand des Schlauches agierte dabei als semipermeable Membran. Die Latten der Trommel waren aus Holz. Die Behandlung dauerte sechs Stunden. Der Flüssigkeitsentzug erfolgte durch Erhöhung des osmotischen Drucks auf die Membran durch Zuckerzusatz. Gelegentlich traten dadurch Rupturen auf5.
Nach Ende des 2. Weltkrieges, 1945, verbreitete sich Kolff’s Technik weiter. Hauptsächlich in Schweden und den USA. Kolff wurde mit seiner künstlichen Niere nach New York eingeladen. Im Januar 1948 wurde die erste erfolgreiche Dialyse im Mont Sinai Hospital durchgeführt. Acht Stunden nach der Dialyse mit der Kolff-Maschine konnte der Patient Urinlassen. Mehr über Kolff kann hier nachgelesen werden https://en.wikipedia.org/wiki/Willem_Johan_Kolff. Die Behandlung war ein Erfolg. In den folgenden Jahren wurde die rotierende Trommel modifiziert und leichter zu nutzen. Z.B. wurde die Trommel aus Edelstahl gefertigt. Wegen der Dehnung der Membran wurde eine Spannvorrichtunggenutzt. Diese Verbesserungen führten zur breiteren Akzeptanz und Anwendung der Dialysetherapie6.
Ab Oktober 1956 wurde das Kolff-System kommerziell vertrieben. Jetzt galt das Fehlen von Anlagen nicht mehr länger als Ausrede für das Nicht-Therapieren von Patienten. Zentren kauften das gesamte Therapiesystem für ca. 1200 US $ und das Einwegmaterial für 60 US $. Das System wurde vornehmlich für die Therapie des reversiblen akuten Nierenversagens genutzt, bei Medikamentenüberdosierung und Vergiftungen.
In den späten 1950er Jahren entwickelte Frederik Kiil hauptsächlich für Norwegen einen parallelen Plattendialysator mit großer Oberfläche (1 m2) und einem geringen Spülvolumen. Eine neue Cellulose-Membran, das Cuprophan, ermöglichte die Passage von größeren Molekülen, die bis dahin nicht entfernt werden konnten. Der Kiil-Dialysator konnte ohne Pumpe genutzt werden. Allein der patienteneigene arterielle Druck war für die Therapie ausreichend. Dieser Dialysator kam nun verstärkt zum Einsatz, weil die Materialien zu dieser Zeit, im Gegensatz zu anderen Dialysatoren, relativ kostengünstig waren.
Fotos der Kolff-Niere, des Kiil-Dialysators und anderer Maschinen, die in der täglichen Dialysepraxis benutzt werden können hier betrachtet wurden, https://homedialysis. org/home-dialysis-basics/machines-and-supplies/dialysis-museum
Vor der Entwicklung eines arterio-venösen Shunts durch Dr. Belding Scribner und seine Kollegen 1960 waren wiederholte Dialysen bei chronischem Nierenversagen nicht wirklich eine Option. Ferner waren es Scribner und sein Team, die den Kiil-Dialysator für die Therapie ohne Blutpumpe anpassten.
Dr. Stanley Shaldon brichtete 1961 über einen Patienten, der im Royal Free Hospital in London seine Therapie selbständig durchführte, vom Vorbereiten der Maschine bis hin zum An- und Abschluss. So wurde die Heim HD in UK möglich. Der Shunt wurde im Bein angelegt. So hatte der Patienten zwei Händen frei für seine Therapie. Dr. Shaldon veröffentlichte die Ergebnisse des ersten Patienten, der über Nacht Heim HD durchführte, im November 1964. Mit einer sorgfältigen Patientenauswahl wurde das Unterfangen ein Erfolg7.
Im Februar 2017 traf sich eine Gruppe von Personen, die bei den ersten Heimdialysen dabei waren, um sich an ihre Erfahrungen zu erinnern.
Dr. Rosemarie Baillod, die mit Dr. Shaldon zusammenarbeitete, erklärte die Entwicklung der Maschinen:
“Ich sollte Alarmsysteme entwickeln. Dafür musste ich in ein Geschäft gehen, das sich Radio Spares nannte. Ich sollte Relais, Glühbirnen und kleine Warnmelder kaufen. Einige Monitore bekamen wir von Cambridge Monitors. Sollte der Druck zu hoch oder zu niedrig werden, sollte ein Alarm ausgelöst werden. Das Ganze befand sich in einer Box von 0,2 m2 und sah sehr elegant aus. Als wir beim Patienten zu Hause ankamen, tropfte es überall heraus!“
“Wir hatten auch keine Flussmesser. Wenn wir wissen wollten, wieviel Dialysat die Kapillare passierte, nahmen wir eine Stoppuhr und einen Plastetopf und stoppten es aus. Danach passten wir die Druckventile an, so dass wir einen Durchfluss von 500 ml/min erreichten. Wir bekamen Cambridge Instrumente, um Maschinen zu bauen. Außerdem standen wir in Kontakt mit Menschen aus den Staaten, wie Milton Roy, der unseren Maschinen zu einem schönen Design verhalf. Sie (die Maschine) sah wie ein Fernsehapparat aus.“
Dr. Baillod erklärte das Auswahlverfahren der Patienten am Royal Free Hospital, London.
“Ich hatte monatlich 4-6 Menschen in verschiedenen Krankenhäusern zu besuchen. … Ich vereinbarte telefonisch Termine und traf mich dann mit den Patienten und ihren Familien. … Ich hatte dann jeden einzelnen Fall einem Auswahlgremium vorzustellen. … Dialyse würde so nicht gegeben haben, wenn wir nicht den Rahmen dafür so gesetzt hätten, wie wir es zu Beginn getan haben.“
Von nun an wurden in den USA und UK große Heim HD Programme entwickelt. Das ermöglichte die Ausweitung der Dialysetherapie, ohne die Kapazitäten in den Krankenhäusern erweitern zu müssen. Viele Patienten konnten nun für die Heimtherapie berücksichtigt werden, oft mit erstaunlich guten Ergebnissen. Die Dialysebehandlungen konnten nun den Bedürfnissen der Patienten angepasst werden und nicht umgekehrt.
Oft war es für die Patienten sehr schwierig, wie Sally Taber erklärt
“Die Patienten bekamen ein warmes Frühstück. Über den Tag mussten sie eine ganze Tasse Marmelade und eine Tasse Sahne/Rahm zu sich nehmen. … Wenn sie das nicht taten, mussten wir es ihnen über eine Sonde verabreichen.“
Ann Eady, eine Schwester, die ihren Mann zu Hause pflegte, sagt
“Es ist harte Arbeit. … Du bist eingeschränkt, aber es hat auch Vorteile … du kannst reisen und das Wohlbefinden der Patienten war enorm verbessert.“
Joy Foo erklärte, wie sehr erfüllend das Patienten training war
“Wir waren Schwestern und wir unterrichteten Menschen von der Straße, die keine Ahnung von Medizin hatten, und schickten sie nach Hause … das war der dankbarste Teil der Arbeit.“
Lesley Pavitt erinnert sich auf ähnliche Weise
“… Die Patienten haben für Monate und Jahre in Krankenhäusern dialysiert und dann kamen sie zu uns und wir durften ihnen die Fähigkeiten vermitteln, wieder Kontrolle über ihr Leben übernehmen zu können … das ist eine unglaublich mächtige Sache.“
Marcelle de Sousa beschreibt, wie selbständig das Pflegepersonal in den Dialyseeinheiten war.
“Wenn jede Schwester die Möglichkeit hätte, in einer Dialyseeinheit zu arbeiten, ich sage dir, so wird Pflegepersonal gemacht, du fühlst dich stolz in dem, was du tust, und es ist der einzige Ort an dem du selbständig bist.“
Die Rolle des EDTNA/ERCA in der Entwicklung der Heimdialyse in Europa war sehr bedeutend. Sally Taber erinnert sich als Teilnehmerin an einer Diskussion auf der Konferenz 1975 zum Thema „Heimdialyse oder nicht?“, die es ermöglichte, Ideen darüber auszutauschen.
Marcelle de Sousa fast die Rolle der EDTNA/ERCA so zusammen
“Es war ein fantastisches Forum für uns … du fühltest dich, als würdest du den Weg vorgeben. … Es war ein großartiges Gefühl.“
Hämodialyse begann 1964 im St. Erik Hospital in Stockholm. 1967 ging der erste Patient nach Hause. Das nahm den Druck vom Personal und den wenigen Dialyseplätzen. Bis 1970 wuchs die Heimdialysepopulation auf 40 Patienten an, mit speziell dafür eingestellten Technikern. Ab 1979 bestand die Möglichkeit, eine „Selbst-Dialyse-Einheit“ in einem Apartment in Stockholm zu nutzen, für diejenigen, die ihre Maschine nicht mit in ihr eigenes zuhause nehmen konnten.
Drake Willock Maschinen wurden aus den USA eingeführt, um für die Heimtherapie von Beginn an bis in die 1980er Jahre genutzt zu werden. Sie hatten ein ausgefallenes System, mechanisch das Konzentrat zu mischen und eine Saugpumpe, die Ultrafiltration zu steuern. Trotzdem war die Ultrafiltration nicht präzise. Das Konzentrat basierte auf Acetat und oft ging es den Dialysepatienten zum Ende der Dialyse schlecht. Formaldehyd, eine toxische Substanz, wurde nach der Therapie zur Desinfektion verwendet. Während dieser Phase der Nierenersatztherapie wurden aus Kostengründen Dialysator und Blutschläuche wiederverwendet. Auch eine Sterilisation mit Formaldehyd wurde ausprobiert. Das verursachte aber Allergien und andere Symptome. So wurde es in Stockholm und in den meisten anderen Ländern nur kurzzeitig angewendet.
Reddy war eine andere gebräuchliche Maschine, die in der Zeit in Stockholm von den Patienten zur Feriendialyse genutzt wurde. Sie nutzte nur 6 Liter Wasser und einem Aktivkohlefilter, um die Urämiegifte zu entfernen. Die Bikarbonatdialyse war ein großer Durchbruch in den 1980er Jahren. Krämpfe und Erbrechen reduzierten sich deutlich. Für die Maschinen waren immer mehr Optionen erhältlich. In den 1990er Jahren wurde die Ultrafiltration verfeinert. Verbesserungen in der Technology haben den Outcome der HD-Patienten gesteigert, aber nicht notwendigerweise die Zahl der Patienten in Heimtherapie in den meisten Ländern der Welt erhöht.
In den frühen 1970er Jahren stieg die Zahl der Patienten in der Nierenersatztherapie, weil sich die Zahl der Behandlungsplätze erhöhte. Niedergelassene Einheiten entstanden, die Leitung einer Dialyseeinrichtung wurde eine Vollzeittätigkeit. Komitees, die für die Patientenauswahl zuständig waren, wurden aufgelöst.
Die Entwicklungen in der Kontinuierlichen Ambulanten Peritonealdialyse (CAPD) in den späten 1970er und frühen 1980er Jahren verhalf die Therapie zur Therapie der ersten Wahl als Heimverfahren. Im Ergebnis dessen, ging die Heim HD stetig zurück.
In den 1990er Jahren ging die Zahl der Heim Hämodialysepatienten kontinuierlich weiter zurück. Das National Institut for Health and Clinical Excellence (NICE) publizierte 2002 Leitlinien für die Heim- vs. Krankenhausdialyse8 und mahnt, alle geeigneten Patienten soll die Wahl des Verfahrens zwischen Heim HD und der Hämodialyse in einem Krankenhaus/Satelliteneinheit angeboten werden.
Heute gibt es viele Möglichkeiten der Heim HD. Das US Renal Data System berichtete 2016, dass 88,6% der Patienten in den USA in einem Dialysezentrum behandelt werden und 1,8% Heim HD durchführen. Die Prävalenz der Heim HD für Neuseeland betrag 18,3% und für Australien 9,4%, Dänemark 5,5%, Finnland 6,2%, Schweden 3,6%, die Niederlande 3,8% und UK 4,4%. Abgesehen von der Zunahme in einigen Ländern, ist das Verfahren der HHD weltweit unterrepräsentiert.
Ich möchte mich bei Gunnar Malmström bedanken, für die Informationen und Fotos der Fallstudie.
Baillod, R (1975) Review of 10 years home dialysis
Thomas, N (2014) Chapter One The History of Dialysis and Transplantation in Renal Nursing 4th edition. Oxford: Wiley Blackwell
Cameron, S (2002) History of the treatment of renal failure by dialysis. Oxford: OUP
Fotos der Kolff-Niere, des Kiil-Dialysators und anderer Maschinen, die in der täglichen Dialysepraxis benutzt werden können hier betrachtet werden.
Nach Ende des 2. Weltkriegs, 1945, wurde die Technik der Kolff-Niere vermehrt eingesetzt, besonders in Schweden und den USA. Kolff wurde eingeladen, seine künstliche Niere in New York einzusetzen. Im Januar 1948 konnte im Mount Sinai Hospital die erste Dialysebehandlung erfolgreich durchgeführt werden. Acht Stunden nach der Behandlung mit der Kolff-Niere konnte der Patient Urin ausscheiden. Mehr über Kolff kann hier nachgelesen werden https://en.wikipedia.org/wiki/Willem_Johan_Kolff